dsc00067_200Es ist festzustellen, dass erzählerische Elemente in seinen jüngsten Arbeiten mehr und mehr zurücktreten und Platz machen für eine Konzentration auf die ureigenen bildnerischen Mittel wie Farbe, Form, Linie, Hell-Dunkel sowie die informelle Ausdrucksqualität – hier im Besonderen – von gerissenem Buchbinderkarton. Dieser Schritt gelingt dem Künstler durch eine zunehmende Nahsicht auf die Dinge, die diese mehr und mehr fragmentiert und damit beliebig werden lässt. Der Künstler selbst sagt:
„Sind in den älteren Arbeiten noch Gebäude und Landschaftsausschnitte sichtbar, so konzentriert sich mein gestalterisches Interesse in jüngster Zeit, mit wenigen Ausnahmen, in denen Fabulierkunst durchbricht, auf – im wahrsten Sinne des Wortes – vom Leben zerschundene, stigmatisierte , morbide Mauern und Fassaden, denen ich poetische Gehalte abzugewinnen versuche, indem ich in sie eigene psychische Befindlichkeiten mit dem Pinsel eintrage bzw. mit dem Messer einkratze. Dazu gesellen sich Fragmente von Wandreklamen, „publicités“, die ich auf Reisen durch die französische Provinz aufgespürt habe, nämlich da, wo die Uhren noch langsamer gehen und das allgemeine französische Bekenntnis zur eigenen Geschichte noch deutlicher zu Tage tritt.
Viele Firmennamen existieren längst nicht mehr und haben dadurch ihre Aufdringlichkeit, ihre Wirksamkeit, ihre Verkaufsabsichten, ihre „Botschaft“ verloren. Sie sind vor allem aus der Nahsicht zu geheimnisvollen Zeichen reiner Ausdrucksqualität geworden und haben eine neue, ja poetische Dimension erhalten, wie überhaupt Wortfragmente suggestiver wirken als ausgeschriebene. „Mein Individualstil hat zweifellos seine geistigen Ursprünge im Dadaismus, der in Form von Fundstücken und Industriefertigteilen die Wirklichkeit selbst zu Kunst erhoben hat. Besonders verehre ich den 1948 im englischen Exil erstorbenen Hannoveraner Dadaisten Kurt Schwitters. So kommt es nicht von ungefähr, daß ich dem Pinsel nicht mehr alles abverlange, was früher des Pinsels ureigene Sache war. Meine Bilder sind Assemblagen, also dreidimensional durch die eingespielten Fundstücke und verschiedenen Materialien. Dadurch unterscheide ich mich, wenngleich ich an der Darstellung der sichtbaren Wirklichkeit – und sei es im kleinsten Ausschnitt – festhalte, wesentlich von der Fotografie. Ich sehe die gegenständliche Welt eher mit den Augen eines Bildhauers als eines Malers. Auf jeden Fall gewinnen meine Arbeiten dadurch an Sinnlichkeit und haptischer Qualität.“ Dieter Ullrich
        
Rede über Ullrichs aktuelle Bilder

„Die Aussageabsicht von Ullrichs Mauer- und Fassadenbildern gilt im wahrsten Sinne des Wortes vom Leben zerschundenen, stigmatisierten, morbiden Mauer- und Fassenausschnitten, aus denen er schicksalhaft und schicksalsbedingt eigene Befindlicheiten herauszulesen, bzw. in diese einzutragen versucht. Dazu gesellen sich Fragmente von Wandreklamen. Sie sind hier zu geheimnisvollen Zeichen reiner Ausdrucksqualität geworden und haben eine neue, ja poetische Dimension erhalten.
In den letzten Jahren konzentriert sich Dieter Ullrichs Gestaltungsinteresse allerdings mehr und mehr auf die bildnerischen Mittel: Farbe, Form, Linie, Kontrast sowie die informelle Ausdrucksqualität – hier im besonderen – von gerissenem Buchbinderkarton, seinem Schlüsselmaterial. Durch eine zunehmende Nahsicht auf die Dinge wird dabei der Übergang von Gegenständlichkeit zu reiner Formalstruktur fließend.
Immer mehr neigt er in der allerneusten Zeit zu einer Vereinfachung der Bildpläne, wobei Strukturales immer wichtiger wird, wie die aperspektivischen Dachziegelbilder und Baumrindenstrukturen von 2008 deutlich machen. Alleiniges Interesse ist hier die Erkundung organischer Baugesetze. Der Weg in die Ungegenständlichkeit scheint unaufhaltsam zu sein.“ (Rolf Hopf: Rede anlässlich der Ausstellung im Haus Herbede, 2009 )